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Nach 47 Jahren verabschiedet sich der Dirigent am Samstag mit einem Konzert in Leutesheim.

Kehl-Leutesheim (pr). Als Dieter Baran im Frühjahr 1976 als Jungspund im Alter von 24 Jahren aushilfsweise die Dirigentenstelle bei der Harmonie Leutesheim übernahm, ahnte sicherlich niemand, was sich daraus entwickeln könnte. Aus dem Aushilfsjob wurde ein Dauerengagement. Seit nahezu 47 Jahren gibt der gebürtige Berliner mittlerweile beim Litzmer Musikverein den Takt an. Und das mit vielbeachtetem Erfolg. Die außergewöhnliche, fast schon eheähnliche Beziehung mit der Harmonie Leutesheim endet nun allerdings. Mit einem großen Konzertabend in der Mehrzweckhalle Leutesheim verabschiedet sich Dieter Baran am kommenden Samstag von seiner Harmonie.

Wir unterhielten uns mit dem Leutesheimer Dirigenten über sein langjähriges Engagement in Leutesheim.

Herr Baran, mit welchen Gefühlen gehen Sie in dieses Abschiedskonzert?

Nach nunmehr 50 Jahren Blasmusikdirigent, vor den Leutesheimern war ich bereits drei Jahre beim MV Sinzheim, stellt sich naturgemäß die Frage, wie lange noch? Mir war es wichtig, dass ich den Schlusspunkt selbst setze, aus der aktiven Arbeit heraus. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Ich habe das wohlüberlegt entschieden. Ein Tropfen Wehmut ist aber natürlich dabei. Aber es überwiegt die Freude und ein gewisser Stolz auf das über Jahrzehnte hinweg Erreichte.

Wie hält man es so lange aus als Dirigent bei einem Musikverein, was braucht es?

Ein einfaches Rezept. Man nehme einen gut strukturierten Verein mit einem riesigen Schuss Kameradschaft, positive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Vorstandschaft, einen großen Vorrat an Neugier auf Unbekanntes, die Bereitschaft auch gänzlich neue Wege zu gehen, eine funktionierende Jugendarbeit, viel Freude an der Musik und immer wieder eine ordentliche Prise Humor. Wenn man dann noch Verletzlichkeiten aus der Zutatenliste entfernt, kann eine tolle Zusammenarbeit entstehen, auch über lange Zeit hinweg. In Leutesheim ging das Rezept so auf!

Welches Konzert in Leutesheim bleibt ihnen in besonderer Erinnerung und welches Stück spielen sie am liebsten mit der Harmonie?

Es gab mit den Leutesheimern eine ganze Fülle „besonderer“ Konzerte. Eine Auswahl fällt daher schwer. Konzerte, mit Aussagen gegen den Stierkampf, gegen den geplanten Giftmüllofen in Kehl, für die Seenotrettung im Mittelmeer, Komponisten-Konzerte, Themen-Konzerte, Klassische Konzerte, Konzerte mit großartigen Musikern auch aus dem SWR, wie mit dem Solo-Cellisten Reinhard Latzko und „Reisen um die Welt“. Man kann so vieles aufzählen, was den Verein ausgemacht hat und ausmacht. Herausragend, auch wegen der überregionalen Bedeutung, war aber das Konzert zum 50-jährigen Bestehens von „amnesty international“ im Mai 2011, das wir in der Offenburger Reithalle mit dem Hauptwerk „Oscar for amnesty“ gegeben haben. Besonders am Herzen lag mir immer der Fokus auf moderne Blasmusik, auf Arrangements aus Rock und Pop, die auch unsere zahlreichen jungen Musiker und Musikerinnen ansprechen.

Auf welchem Level ist das Leutesheimer Orchester und wie ist es um die Zukunft der Blasmusik auf dem Dorf bestellt?

Die Leutesheimer spielen in der Oberstufe. Für einen Verein aus einem kleinen Dorf ist das eine beträchtliche Leistung, worauf er auch sehr stolz sein kann. Corona hat, wie in allen Vereinen, auch in der Blasmusik große Spuren hinterlassen. Die Probenarbeit konnte vielfach nur in Kleingruppen, im Freien, zeitweise auch gar nicht stattfinden. Auftritte und Konzerte mussten ausfallen. Vieles, was die sozialen und gemeinschaftsbildenden Stärken eines Musikvereins ausmacht, war weitgehend unterbunden. So eine Durststrecke wirkt sich auf die Zugkraft des Vereinslebens und auch auf den verbindlichen Probenbesuch aus. Und das hat dann wiederum auch Konsequenzen auf die Effizienz der Probenarbeit. Aktuell ist zu beobachten, dass Musikvereine notgedrungen mit Nachbarvereinen fusionieren. Eine Entwicklung, die ich für zweischneidig halte. Ich wünsche dem Musikverein Leutesheim sehr, dass er seine Eigenständigkeit auch in Zukunft erhalten kann.

Mit ihren Konzerten sind oftmals auch politische Botschaften verbunden. Was treibt Sie im Moment um?

Ein wichtiges Thema! Das Zusammenrücken, sich mit vereinten Kräften für etwas stark machen, um etwas in Bewegung zu bringen. Das ist eine große Herausforderung in einer Zeit mit brutalem Angriffskrieg gegen die Ukraine und die freiheitlichen, demokratischen Ideale Europas, vielen flüchtende Menschen in existenzieller Not, die Zufluchtsorte und Schutz benötigen sowie weltweit voranschreitende Klimaveränderungen. Dass ein Erlebnis im Kleinen, wie verbindende und verbindliche Gemeinschaft, beflügeln kann und was damit zielgerichtet möglich wird, erfahren gerade auch junge Menschen in einem Verein. Die Politik sollte diese wichtige Funktion der Vereine unbedingt im Fokus behalten.

Was erwartet den Besucher beim Abschlusskonzert am Samstag?

Ein ganz normales Jahreskonzert, kein „Best of“, sondern gute moderne Blasmusik auf hohem Niveau mit Tatjana Schlegel als Klavier-Solistin und Musik, unter anderem von Morricone, Joplin, Queen und Udo Jürgens.

Was kommt für Dieter Baran nach der Harmonie?

Ich hatte viele Jahre als Vater von vier Kindern, meiner beruflichen Tätigkeit als Posaunist im SWR-Sinfonieorchester sowie als Dirigent eines Blasorchesters und eines klassischen Orchesters einen sehr dichten, bisweilen auch atemlosen Lebensstil. Das hat mich in vielerlei Hinsicht erfüllt, aber natürlich auch den Raum für andere Belange und Interessen begrenzt. Ich freue mich darauf, nun neue Türen zu öffnen. Mit dem Concertino Offenburg werde ich meine Dirigententätigkeit weiterführen. Den Leutesheimern wünsche ich weiterhin viel Freude an der Musik und großartige Erfolge mit dem neuen Leiter. In all den vielen Jahren sind Freundschaften entstanden, und so wird man mich sicher auch in Zukunft ab und zu in Leutesheim antreffen.

Dieter Baran ist 1952 in Berlin geboren. Er studierte in seiner Heimatstadt Posaune. 1973 wurde er Mitglied des SWR-Sinfonie-Orchesters Baden-Baden und Freiburg. Das ebenfalls langjährige berufliche Engagement beim SWR brachte ihn auch ins Hanauerland und letztendlich zur Harmonie Leutesheim. Dieter Baran wohnte anfangs in Leutesheim und zog dann nach Offenburg, wo er 1985 das Concertino Offenburg gründete, das seitdem die Klassikfans in der Ortenau begeistert. Im Oktober 2022 erhielt er in Offenburg für sein bürgerschaftliches Engagement die Staufermedaille des Landes.

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